Against USA Turkey’s hands are bound (in German)

DIE WELT

13. Oktober 2007, 04:00 Uhr
Von Boris Kalnoky

Der Türkei sind gegenüber den USA die Hände gebunden

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Ankara hat keine Druckmittel, um auf die erwartete "Genozid"-Resolution des
US-Kongresses zu reagieren
Istanbul – Als im vergangenen Jahr das französische Parlament den türkischen
"Genozid" an den Armeniern anerkannte, reagierten der türkische Generalstab
mit einem Abbruch der bilateralen militärischen Beziehungen und türkische
Verbraucher mit einem Wirtschaftsboykott, der aber rasch verpuffte – heute
ist das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern größer als zuvor.

Die Militärs aber blieben verschnupft: keine gegenseitigen Besuche mehr,
keine Rüstungsaufträge für französische Firmen. Verhandlungen über den
Erwerb von mehreren Dutzend Eurocopter wurden abgebrochen, ab April
verhandelte Ankara stattdessen mit der italienischen Firma AgustaWestland
über den Kauf von 52 Angriffshubschraubern.

Nun will auch der amerikanische Kongress die Türken des Genozids
bezichtigen, und Ankara droht wortgewaltig mit harten Reaktionen. Die Türkei
kann jedoch nicht so reagieren wie gegenüber Frankreich. Ein völliger
Abbruch der militärischen Beziehungen würde vor allem die türkische Armee
treffen, deren Ausrüstung überwiegend amerikanisch ist. Gareth Jenkins, der
für die renommierte Fachzeitschrift "Jane’s Defense Weekly" über das
türkische Militär schreibt, ist skeptisch: "Sicher kann man symbolische
Gesten erwarten, eine Zeit lang weniger offizielle Besuche zum Beispiel,
aber ein komplettes Einfrieren der militärischen Kontakte wäre sehr
problematisch für die Türkei."

Andere denkbare Maßnahmen wären die Schließung des Luftwaffenstützpunktes
Incirlik für die USA, die Sperrung des Luftraumes für US-Flugzeuge und der
Abbruch der Versorgung amerikanischer Truppen im Irak durch Tausende
türkische Lkws. Wenn die Türkei aber so hart reagiert, dass die USA im Irak
in noch größere Bedrängnis geraten, dann wird das auch für Ankara Folgen
haben. Es kann zu verringertem diplomatischem Engagement der Amerikaner für
die Türkei führen, gegenüber der EU beispielsweise, aber auch zu
Bumerangeffekten bei Rüstungsverträgen. Letztlich sind die Türken angewiesen
auf amerikanische Waffensysteme und deren Instandhaltung.

Das grundsätzliche Problem der Türkei ist, dass immer mehr Parlamente sich
mit dem armenischen "Genozid" befassen. Will Ankara all diese Länder
bestrafen, isoliert es sich politisch. Auf der anderen Seite erblickt Ankara
in all diesen Genozid-Resolutionen die reale Gefahr armenischer
Kompensationsforderungen in astronomischer Höhe sowie eine weitere
Gefährdung der eigenen EU-Kandidatur. Auch die öffentliche Meinung in der
Türkei gilt es zu beachten – und die Medien schäumen.

Die türkische Reaktion wird nach allem Abwägen wohl nicht so brutal
ausfallen, dass die jahrzehntealte Allianz mit den USA aufs Spiel gesetzt
wird. Wer von alledem profitieren kann, sind die Israelis – von ihnen kauft
die Türkei auch viele Waffen, und sie sind in der Lage, etwaige Lücken im
türkischen Arsenal zu füllen.

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