Spiel Mir Kein Lied Vom Genozid Gerechtigkeit Fur Armenien

SPIEL MIR KEIN LIED VOM GENOZID GERECHTIGKEIT FUR ARMENIEN
Andreas Kilb

Frankfurter Allgemeine Zeitung
14. Februar 2007 Mittwoch

57.INTERNATIONALE FILMFESTSPIELE BERLIN; TI: "Die Lerchenfarm" von Paolo und Vittorio Taviani

Uber den Volkermord an den Armeniern gibt es erst einen einzigen
Spielfilm, Atom Egoyans "Ararat" aus dem Jahr 2002, und selbst dieser
geht das Thema sehr indirekt an, als Teil eines großen Bilderpuzzles
uber Wahrheit und Luge im historischen und privaten Sinn. Es hat
also etwas zu bedeuten, wenn Paolo und Vittorio Taviani mit dem Geld
des italienischen, franzosischen und spanischen Staatsfernsehens in
Bulgarien die Ereignisse von 1915 nachstellen; und es bedeutet noch
mehr, dass ihr Film "La masseria delle allodole" ("Die Lerchenfarm")
auf den Berliner Filmfestspielen lauft, freilich nicht im Wettbewerb,
sondern als "Berlinale Special" am Rand des offiziellen Programms.

"Die Lerchenfarm" beginnt als Idyll. In einem Provinznest im Osten
des Osmanischen Reichs lebt die Familie Avakian in burgerlichem
Wohlstand, geschutzt durch die Mauern ihrer Stadtresidenz und ihre
guten Beziehungen zu den ortlichen Autoritaten. Die Tochter des Hauses
(Paz Vega) liebt einen turkischen Offizier, ihr Vater (Tcheky Karyo)
bewirtet den Militargouverneur (Andre Dussollier). Nur der sterbende
Großvater sieht im Todeskampf Blut an die Wande spritzen, ein
Menetekel, das Schritt fur Schritt von der Wirklichkeit eingeholt
wird. In Istanbul verschworen sich die Fuhrer der Jungturken,
den "inneren Feind" auszurotten, in den Stadten werden Soldaten
zusammengezogen, das Gemetzel hangt wie eine Gewitterwolke in der Luft,
bis es schließlich uber die Avakians hereinbricht.

Aber selbst in den Bildern des Mordens bleibt der Film beherrscht,
er zeigt den Blutrausch der Turken nicht als sadistischen Exzess,
sondern als steife, beinahe feierliche Schlachterei. Der kleine Junge,
der von seinem Henker unter dem Klavier hervorgezogen wird, liegt
spater mit zerfetzter Brust auf einem Leichenhaufen, aber man sieht ihn
nicht fallen, so wenig wie den Hausherrn, dessen abgeschlagener Kopf
im Schoß seiner Ehefrau Armineh landet. Sie krummt sich in stummem
Entsetzen, doch der Film krummt sich nicht, er plappert weiter in
edelster Fernseh-Prosa, unbedingt hauptsendezeittauglich und seinem
Gegenstand zugleich auf stupende Weise unangemessen.

Wie weit sich die Tavianis von der Klarheit und Schlichtheit ihres
"Padre Padrone" oder der "Nacht von San Lorenzo" entfernt haben,
zeigt eine Episode, die auf dem Todesmarsch der armenischen Frauen
und Madchen in die syrische Wuste spielt. Ein Kind ist geboren
worden, und weil das Baby mannlich ist, muss es sterben. Die
turkischen Bewacher stellen der Mutter frei, das Neugeborene selbst
zu toten. Armineh (Arsinee Khanjian) bietet ihre Hilfe an. Rucken
an Rucken, mit ineinander verschrankten Armen, erdrucken die beiden
Frauen das Kind. Aber die Kamera zeigt dieses unfassbare Geschehen
nicht in seinem realen Verlauf, sie schneidet hektisch zwischen den
Gesichtern und Korpern hin und her, als wollte sie raffen, was nicht
zu raffen ist. "Die Lerchenfarm" ist ein inkonsequenter, zwischen den
Abgrunden seines Sujets und den Zwangen einer marktgangigen Erzahlform
schwankender und asthetisch zerrissener Film. Wer sich vom Opfergang
der Armenier, von seinen historischen und individuellen Folgen ein
Bild machen will, bleibt nach wie vor auf Egoyans "Ararat" verwiesen.

Dennoch wird der Film der Tavianis Epoche machen, und sei es nur
deshalb, weil er eine Lucke im Bildergedachtnis des Kinos sichtbar
macht, die nun schon seit mehr als neunzig Jahren besteht. Dass Franz
Werfels Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh", die umfassendste
Darstellung des Volkermords von 1915, seit langem in Hollywood zur
Verfilmung vorbereitet und immer wieder ins Regal zuruckgestellt wird,
sagt einiges uber die Brisanz des Themas, aber auch uber die Feigheit
der Studios. "Die Lerchenfarm" hat hier eine Tur aufgestoßen, durch
die hoffentlich auch andere gehen werden.

Wie die Turken selbst ein heißes Eisen so anfassen, dass es
niemandem auf den Nageln brennt, zeigt Ozer Kiziltans "Takva", der
in Antalya und Toronto bereits Festivalpreise gewonnen hat und in
Berlin im Panorama lauft. Die Geschichte vom frommen Toren, der als
Geldeintreiber fur eine islamische Sekte seinen Glauben verliert,
klingt auf Anhieb mutig und frech. Aber Kiziltan traut sich nicht,
sein Thema so ernst zu nehmen, wie es ist. Wenn sein Held mit feuchter
Hose aus seinen erotischen Traumen erwacht oder den Imam anhimmelt,
wirkt er nur lacherlich. Dabei ist das, worum es in "Takva" geht,
alles andere als zum Lachen.

–Boundary_(ID_myUHFvmKIa9HSrRMGWNEEA)–

From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress

Emil Lazarian

“I should like to see any power of the world destroy this race, this small tribe of unimportant people, whose wars have all been fought and lost, whose structures have crumbled, literature is unread, music is unheard, and prayers are no more answered. Go ahead, destroy Armenia . See if you can do it. Send them into the desert without bread or water. Burn their homes and churches. Then see if they will not laugh, sing and pray again. For when two of them meet anywhere in the world, see if they will not create a New Armenia.” - WS